Ungesunde Bedürfniserfüllung

 

Bestimmt hast du schon einmal davon gehört, dass es wichtig ist, dass alle deine Bedürfnisse erfüllt sein sollten, damit es dir gut geht. Zumindest einmal die Grundbedürfnisse.

Und das wir auf automatisierte, alte und oft unliebsame Verhaltensweisen zurückfallen, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, hast du bestimmt auch schon mal gehört.

Aber was heißt das konkret?

Ich will dir hier zwei Beispiele erzählen, die ich in letzter Zeit selbst entdecken durfte. Und die in meinen Augen wunderbar deutlich zeigen, wie tief die ungesunde Bedürfniserfüllung gehen kann. Und wie überraschend das Ergebnis sein kann.

 

Essen als Bedürfniserfüllung

Ganz bestimmt hast du schon davon gehört, dass es Menschen gibt, die versuchen (in den allermeisten Fällen natürlich unbewusst) sich unerfüllte Bedürfnisse mit Essen zu erfüllen. Sie bezeichnen sich dann oft schon selbst als „Stressesser“ oder „Frustesser“. Doch was genau steckt da eigentlich dahinter? Hier ein wunderbares Beispiel einer Kundin von mir, das sehr gut aufzeigt, dass es hier um so viel mehr geht, als nur um Stress oder Frust.

Meine Kundin trat sehr verzweifelt an mich heran weil sie einfach nicht mehr weiterwusste. Jede Nacht – wirklich JEDE Nacht – war sie zwischen 3 und 4 Uhr wach und ass. Sie hatte schon alles Mögliche versucht. Sie achtete tagsüber auf ihre Ernährung, ging satt ins Bett, hatte es mit Intervallfasten in einer Gruppe versucht und noch vieles mehr. Sie bezeichnete ihren Alltag als alleinerziehende und arbeitstätige Mutter schon als stressig (wessen Elternalltag ist das zu Zeiten der Pandemie nicht…) aber sie glaubte nicht, dass das der Grund dafür sei, da sie Stress eigentlich gewohnt war. Lange Rede kurzer Sinn: sie war sehr verzweifelt und natürlich hatte sie es sich selbst verboten und sie verurteilte sich scharf dafür, dass sie nachts so undiszipliniert sei (ihre Worte).

Wir schauten uns ihre Situation daher gemeinsam ganz genau an und gingen dem Thema mithilfe der Selbstbestimmt Essen Übungen, die ich letztes Jahr von Renate Waschek lernen durfte, auf den Grund. Die drei Hauptübungen dieser genialen Methode dienen perfekt dazu, um die unerfüllten Bedürfnisse hinter einem unerwünschten Verhalten aufzudecken.

In ihrem Fall waren ihre unerfüllten Bedürfnisse – und das wird dich jetzt überraschen: Ordnung und Struktur!

Pandemiebedingt litt ihr sonst ausgeprägtes Bedürfnis nach Ordnung und klaren Strukturen sehr. Vor allem die Küche erreichte quasi keinen aufgeräumten Zustand mehr, der ihren normalen Ansprüchen gerecht wurde. Also wachte sie nachts auf und marschierte schnurstracks (und noch im Halbschlaf!) in die Küche. Ihr Unterbewusstsein wusste genau was es tat.  

Da ihr die unerfüllten Bedürfnisse dort jedoch nicht bewusst waren, kompensierte sie es mit Essen und gab sich viel Mühe bei der Zubereitung ihres Käsebrotes mit Radieschen oder Gurken. Auch eine Form von Ordnung und Struktur. Und natürlich isst sie das Brot danach. Was soll sie damit auch sonst machen… Da die Bedürfnisse dadurch nur „schein-befriedigt“ werden, wie ich es gerne nenne, funktioniert das nur kurz und das Spiel geht jede Nacht von vorne los.

Klar kannst du jetzt sagen, selbst Schuld wenn man so undiszipliniert ist. Aber zur Erinnerung: es geht hier um unbewusste Strategien. Und die haben wir übrigens alle auf die ein oder andere Weise. Du bekommst die Geschichte ja jetzt mit der Auflösung. Hinterher ist man ja immer schlauer. 😉

Die eigene Verurteilung und Abwertung bringt übrigens auch keine Bedürfniserfüllung. Im Gegenteil! Dadurch werden höchstens noch weitere Bedürfnisse unerfüllt werden. Zum Beispiel die nach (Selbst-) Liebe, Selbstwert, Verständnis und Wertschätzung.

 

Shoppen / Weiterbildung als Bedürfniserfüllung

Das andere Beispiel, von dem ich dir erzählen will ist ein sehr persönliches. Wie du ja wahrscheinlich weißt, habe ich mit 2019 mit WunderWork (Teil-) selbstständig gemacht und ich wollte 2020 damit so richtig durchstarten. Als ich meinen Jahresplan geschrieben habe wusste ich natürlich noch nichts von all den Herausforderungen die mich letztes Jahr so ereilen sollten. Meine Kinder waren nur einen einzigen Monat der 12 Monate im Kindergarten, in dem sie bis dahin 7-8 Stunden am Tag waren. Dieser einzige Monat war der Februar. Und im Februar war ich schwer krank… Aber darum soll es jetzt nicht gehen.

In den letzten Wochen habe ich meine Buchhaltung für 2020 gemacht und mir wurde regelrecht schlecht, als ich auf einen Blick gesehen habe, wie viel Geld ich insgesamt für Weiterbildungen jeglicher Art ausgegeben habe. Da waren Online Kurse dabei, Online Workshops, Wochenend-Workshops, Marketing Kurse, Rechtsmodule, Buchhaltungskurse, große Mastermind Programme, die mich motivieren und strukturiert auf Kurs halten sollten und noch mehrere Ausbildungen. Bähm! Und: du wirst es dir wahrscheinlich denken: knapp die Hälfte der Kurse habe ich noch gar nicht (fertig) gemacht, weil mir (Überraschung) schlicht die Zeit dazu fehlte.

Ich saß also wirklich zutiefst betrübt vor meinem Laptop und habe mich gefragt, was zur Hölle da für Sicherungen in meinem Kopf durchgebrannt sind. Und ich war voll drin in der Schleife der Verurteilung. Die Kritiker in meinem Kopf waren laut und sehr unfreundlich und meine freundlichen Beobachter saßen still in der Ecke und schüttelten vorwurfsvoll den Kopf.

Puh!

Zum Glück rutsche ich nicht noch tiefer in diese Spirale, die sicherlich zur erneuten Essen – sich mies fühlen – Selbstvorwürfe – Essen – Dauerschleife geworden wäre (ich habe mich früher auch als Frustesserin bezeichnet). Stattdessen gab es eine leise Stimme in mir – meine Intuition – die mir zuflüsterte, ich solle die Übungen von Selbstbestimmt Essen mit dieser Situation machen. Mein Ego wetterte natürlich direkt dagegen: „was haben denn meine hohen Ausgaben jetzt mit Essen zu tun?!“. Da ich meine Intuition jedoch mittlerweile zu schätzen weiß, habe ich mein Ego gekonnt ignoriert, mich hingesetzt und die Übungen gemacht.

Mit einem für mich sehr überraschendem und berührendem Ergebnis.

Die unbewussten und unerfüllten Bedürfnisse, die ich mir (zur Erinnerung: unbewusst) erfüllt habe, in dem ich immer mehr Weiterbildungen gekauft habe, waren: Vertrauen, Selbstwirksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung.

Ich brauchte Vertrauen in mich und meine Pläne und das ich mein Business, meinen Hauptjob und mein Privatleben unter einen Hut bekommen und vor allem meine Kinder weiterhin bedürfnisorientiert begleiten würde. Also versuchte ich mich zu optimieren wo ich nur konnte. Noch professioneller zu werden. Mir noch mehr Unterstützung zu holen. Damit das auch ja alles klappt.

Ich brauchte Selbstwirksamkeit in dieser Zeit, in der ich außerhalb meines Hauses so rein gar nichts kontrollieren konnte. Innerhalb des Hauses natürlich auch nicht. Aber das darf ich meinem Ego, dem Kontrollfreak, nicht erzählen. 😉

Ich brauchte Anerkennung für all die harte Arbeit die ich jeden Tag leistete. Teilweise 19 bis 20 Stunden am Tag.

Ich brauchte Wertschätzung für all das, was ich schaffte unter diesen unmenschlichen Bedingungen. Und für die Pausen, die ich brauchte wenn dann doch alles zu viel wurde. Wertschätzung für mein Business-Baby.

Nach den Übungen standen folgende Sätze auf meinem Arbeitsblatt, die mich so sehr berührt haben, dass ein paar Tränen flossen und die garantiert zu einer sehr tiefgreifenden Veränderung meines Verhaltens führen werden:

„Als ich das Geld ausgegeben habe, was das das Beste, was ich in diesen Momenten tun konnte, um mir selbst die Bedürfnisse nach Vertrauen, Selbstwirksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung zu erfüllen.

Jetzt wo ich sehe, was daraus geworden ist, bedaure ich es, weil mein Bedürfnis nach Wertschätzung nicht erfüllt ist.“

Die Wertschätzung fehlte mir, weil ich nach Abschluss meiner Buchhaltung so niederträchtig mit mir selbst umgegangen war. Weil ich mich so hart verurteilt hatte. Weil die unterbewusste Bedürfniserfüllung nicht den gewünschten Effekt gezeigt hatte und zu viele Nebenwirkungen hatte. Dieser Umgang mit mir selbst war natürlich alles andere als wertschätzend.

Auf einmal konnte ich wieder freundlich zu mir selbst sein. Ich konnte mich selbst in den Arm nehmen, mir selbst Verständnis entgegen bringen und mir selbst nochmal vor Augen führen, was ich letztes Jahr alles gemeistert hatte.

 

Strategien zur Bedürfniserfüllung

Bedürfniserfüllung die unser Unterbewusstsein steuert funktioniert für den Moment. Es gibt einen Grund warum du genauso handelst, obwohl du es eigentlich nicht willst. Und ich hatte Gründe, warum ich so gehandelt habe. Diese zu erkennen ist ein großartiges Geschenk. In dem Moment, wo du den Vorgang nämlich vom Unterbewusstsein in dein Bewusstsein holst, kannst du dir andere Strategien überlegen, die für dich besser und vor allem auch langfristiger funktionieren. Und weniger Nebenwirkungen haben. 😉

In meinem Fall achte ich jetzt jeden Tag darauf, wie ich mir diese vier Bedürfnisse selbst erfüllen kann. Und bevor ich etwas kaufe halte ich inne und frage mich, ob ich damit gerade versuche mir ein unerfülltes Bedürfnis zu erfüllen. Das hat in den letzten Wochen schon mehrmals dazu geführt, dass ich dann doch nicht gekauft habe und mich anderweitig um meine Bedürfniserfüllung gekümmert habe.

Im Fall meiner Kundin hat sie sich zum Ziel gesetzt jeden Abend vorm Schlafengehen 30 Minuten zu investieren um Ordnung und Struktur in die Küche zu bringen. Seit dem schläft sie besser und vor allem durch.

 

Bevor du jetzt sagst, „also das kann mir nicht passieren“, nimm dir doch mal einen Moment Zeit und reflektiere deine Handlungen in den letzten Wochen. Vor allem die, die sich im Nachhinein eigentlich nicht gut angefühlt haben.

Rauchen, Alkohol trinken, Drogen nehmen, Kinder anschreien, vor dem Handy, Social Media oder dem Fernseher versacken, sich in die Arbeit stürzen, übermäßig viel Sport können übrigens auch alles Strategien sein, die dein Unterbewusstsein nutzt, um dir unbekannte Bedürfnisse zu erfüllen. Und noch sehr vieles mehr.

Welche Strategien entdeckst du bei dir?

 

Es lohnt sich da hinzuschauen und für sich selbst bessere Strategien zu finden. Ohne Verurteilung und ohne Abwertung. Wenn du dabei Unterstützung willst oder mehr über „Selbstbestimmt Essen“ erfahren willst (das eigentlich „Selbstbestimmt Leben“ heißen sollte, weil es wirklich auf alle Lebensbereiche angewandt werden kann – herzliche Grüße an dieser Stelle an Renate), dann melde dich gerne bei mir.

Und weil ich mir damit mein Bedürfnis nach Wertschätzung erfülle: Ich freue mich sehr, wenn du mir als Zeichen deiner Wertschätzung eine Nachricht schickst (zum Beispiel über mein Kontaktformular) oder einen Kommentar hinterlässt, ob und wie dir dieser Blogartikel geholfen hat und ob du vielleicht direkt eine bisher unbewusste Strategie zur Bedürfniserfüllung für dich erkannt hast.

 

Bild von Alexandra ❤️A life without animals is not worth living❤️ auf Pixabay