Oktober 16, 2020

Warum bin ich hier?

 

Und was hat das mit Mitgefühl zu tun? Aber eine Frage nach der anderen. Also: Warum bin ich hier?

Diese Frage habe ich in den letzten Wochen erstaunlich oft gestellt bekommen. Meine Ausbildung zum systemischen Life & Business Coach (ECA) ist nächste Woche abgeschlossen und wir Coach*Innen haben uns gefragt, was wir mit unserem Zertifikat jetzt machen. Außerdem mache zur Zeit einen Online-Kurs für Hochsensible Mütter mit, in dem wir uns mit unseren Bedürfnissen beschäftigt haben und in meiner Business Mentoring Gruppe ging es auch darum. Warum bin ich hier? Wer bin ich? Und was ist meine Aufgabe?

Mal abgesehen von den offensichtlichen Antworten, die uns allen dazu wahrscheinlich sofort einfallen, wie Mama oder Papa, Ehefrau, Beruf, studierte xy, etc., geht es bei diesen Fragen auch immer vor allem um eins: um die eigenen Werte.

Was sind deine Werte? DEINE Werte, die ganz tief in dir verankert sind. Die, die dich ausmachen. Die dich übelst antriggern, wenn sie missachtet werden.

 

Bei mir ist es (u.a.) Mitgefühl.

Das ist bei mir so naheliegend und doch ist es mir erst diese Woche so richtig klar geworden. Schon sehr oft habe ich gesagt bekommen, dass ich eine unglaubliche Empathie Fähigkeit habe und meine Hochsensibilität macht ich ja quasi per se mitfühlend. Als ich meinem Papa im Teenageralter erzählt habe, dass ich Kinder- & Jugendpsychologin werden will, hat er Bedenken geäußert, dass ich dann wohl immer mit den Kindern mitweinen würde. Zugegeben: dieser Einwand war damals berechtigt. (Heute habe ich das meistens besser im Griff.)

Was mir aber bisher nicht so deutlich bewusst war: Es sind die Szenen, in denen ich miterleben muss, wie Menschen ohne Mitgefühl handeln, die mich wahnsinnig triggern. In diesen Momenten gibt es für mich dann oft nur noch zwei mögliche Reaktionen und mein Urinstinkt übernimmt für mich. Es ist als würde ich jede Kontrolle verlieren: es gibt nur noch Flucht oder Kampf.

„Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.“

– Albert Schweitzer

Da bin ich ganz bei Albert Schweitzer und gehe noch einen Schritt weiter. Ein Handeln ohne Mitgefühl ist für mich schlicht unmenschlich.

Das können schon Dinge sein, die von anderen als vergleichsweise harmlos eingestuft werden. Beispielsweise wenn sich über Menschen lustig gemacht wird, die Angst haben (vor Corona, Spinnen, etc.).

Wenn jemand total viel Arbeit hat und statt Mitgefühl nur ein „selbst schuld, dann priorisiere halt besser“ bekommt.

Wenn Flüchtlinge auf dem Weg ihrer Flucht ertrinken und Grenzen errichtet werden, anstatt zu helfen.

Oder wenn Tiere schlecht behandelt werden und die Menschen so tun als wüssten sie das nicht und nichts dagegen tun (Stichwort Fleischindustrie).

Ich denke du hast verstanden worum es mir geht. 😉

 

Am allerschlimmsten ist für mich aber wenn Menschen Kindern gegenüber ohne Mitgefühl sind. Das sind häufig schon Alltagsszenen, wie ich sie z.B. in Kindergärten, auf Spielplätzen oder beim Einkaufen leider schon viel zu oft miterleben musste.

Ein (mir fremdes) Kind weint. Nicht nur so ein bisschen, sondern aus ganzer Seele. Es ist offensichtlich tief verzweifelt und braucht Hilfe. In den Szenen, an die ich mich jetzt erinnere waren Erwachsene in unmittelbarer Nähe und haben das Kind ignoriert. Einmal wurde auf mein Nachfragen geantwortet: „die macht das jeden Tag mindestens ein Mal – die beruhigt sich schon wieder.“

Und ja, ich habe auch Mitgefühl mit den Erwachsenen. Vielleicht war sie gerade überfordert und / oder überreizt oder es gab ein paar pädagogisch einstudierte Gründe warum sie so reagiert hat (die ich wahrscheinlich alle als Bullshit abstempeln würde). Sowas wie „das muss das Kind lernen, dass es nicht immer seinen Willen bekommt“. Oder „es ist wichtig, dass das Kind lernt sich selbst zu beruhigen“. Oder was weiß ich. Ich bin selbst keine Pädagogin. Aber ich bin Mama von zwei Kindern. Ein Mensch (und ja, auch Kinder sind Menschen!) der weint, der braucht gerade keine Lektion in was auch immer und lernen kann man in dem Zustand sowieso gar nichts.

„Der Spott endet, wo das Verständnis beginnt.“ – Marie von Ebner-Eschenbach

Meiner Meinung nach braucht es als erstes Mitgefühl. Mitgefühl, mit diesem kleinen Wesen, dass vielleicht gefallen ist oder mit einer ungewohnten Situation gerade nicht umgehen kann oder was auch immer dafür gesorgt hat, dass das Kind jetzt so herzzerreißend weint. Die Welt mit den Kinderaugen sehen. Für einen Moment die Perspektive wechseln. Verständnis zulassen.

Und dann kommen die Möglichkeiten von ganz alleine. Sehr wahrscheinlich braucht ein weinendes Kind Nähe. Auch wenn das Kind gerade keine Umarmung oder Berührung von einer anderen Person zulässt, wird es ihm helfen, wenn man sich auf Augenhöhe begibt. Da ist. Beruhigend mit ihm spricht. Eine Hand hinhält um eine Berührung oder Umarmung anzubieten.

Und:

„Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich.“ – Johann Wolfgang von Goethe.

Sind wir mal ehrlich. Wenn wir ohne Mitgefühl handeln, fühlen wir uns danach beschissen. Unser System meldet uns zurück, dass wir weit weg von unseren Werten Menschlichkeit, Solidarität, Zuneigung oder empathischem Interesse sind und es geht uns dann auch einfach selbst nicht gut. Oft versuchen wir uns dann selbst zu verteidigen, mit lauter rationalen Gründen, die wir selbst nicht glauben und schon gar nicht fühlen – wenn wir mal ehrlich sind. Du tust dir also selbst einen Gefallen, wenn du mitfühlend handelst. – Du merkst schon, ich brenne für Mitgefühl. 😉

 

Was ist Mitgefühl eigentlich genau?

Mitgefühl ist die Anteilnahme am Leid, an der Not aber auch an der Freude anderer. [www.duden.de]

Noch besser gefällt mir diese Beschreibung: Mitgefühl ist die Fähigkeit, das Gefühl (Fühlen) eines anderen Individuums durch eigenes Fühlen zu begleiten (Resonanz) oder zu einem späteren Zeitpunkt zu bekunden (resonanzhaftes Verhalten). [www.wertesysteme.de]

Laut dem Duden kann man Mitgefühl haben, zeigen und empfinden. Synonyme sind Anteilnahme, Einfühlungskraft, Einfühlungsgabe, Weichherzigkeit.

 

Sind Empathie und Mitgefühl das gleiche?

Nicht wenn man dem Duden glaubt, auch wenn es im umgangssprachlichen Sprachgebrauch häufig synonym benutzt wird. Empathie ist die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen.

Ebenfalls eine sehr wichtige Eigenschaft und sicher sehr eng verknüpft mit Mitgefühl – aber dennoch ein wenig unterschiedlich.

„Die menschliche Eigenschaft, die ich am liebsten verstärken würde, ist die Empathie. Sie vereint uns in einem friedlichen, liebenden Zustand.“ – Stephen Hawking

In Kürze und einfach zu merken: Bei Mitgefühl geht es um das Einfühlen in die Gefühle des Anderen. Bei Empathie um das Einfühlen in die Einstellung des Gegenübers.

Hat man beides, kann man Handlungen, Entscheidungen und generell den ganzen Menschen ziemlich gut einschätzen. In meinem Leben ist das definitiv eine Bereicherung.

 

Ist Mitgefühl nicht einfach nur ein positiveres Wort für Mitleid?

Auch nicht. Mitleid ist ein Teil von Mitgefühl. Wenn ich mit jemandem mitleide, bin ich in dem Moment automatisch auch mitfühlend. Allerdings geht es mir in diesem Moment auch schlecht – denn ich leide ja mit. Wenn ich mitfühle ist das ein klein wenig abgeschwächter bei negativen Gefühlen, ich kann mitfühlen ohne zu leiden. Und ich kann auch die positiven Gefühle mitfühlen. Mitzufühlen ist daher auch gut für meinen Ressourcenhaushalt. (Dieser Hinweis ist übrigens besonders für meine Hochsensiblen Leser. Aber auch für alle anderen. <3)

 

Ich glaube fest daran: wäre die Welt mit mehr Mitgefühl ausgestattet, wir hätten viel weniger Krisen. Und viel mehr Gemeinschaft.

Und um damit den Kreis zu schließen und die Eingangsfrage des Artikels zu beantworten: genau deswegen bin ich hier.

 

Ich will das Mitgefühl in den Menschen wecken.

Für sich selbst, für Familienmitglieder, für Freunde und Bekannte.

Mitgefühl für (überreizte) Hochsensible. Für Fremde. für Menschen, die anders sind und für Tiere.

Eigentlich für ALLE Lebewesen und ganz besonders für alle Kinder dieser Welt. ♥

Ich glaube, dass es eine meiner Aufgaben ist, das Mitgefühl in den Menschen zu erwecken, wiederzubeleben oder zu verstärken.

Lasst uns gemeinsam mitfühlen und diese Welt zu einem besseren Ort machen. Für uns alle. ♥

„Die Grundlage des Weltfriedens ist das Mitgefühl.“ – Dalai Lama

 

Und du? Warum bist du hier? Wer bist du? Und was ist deine Aufgabe?

Wem kannst du heute ein wenig Mitgefühl zeigen?

Ich freue mich, wenn du mir davon erzählst oder wenn du Lust hast das mit mir gemeinsam herauszufinden.

Herzensgrüße
Deine Nicole ♥

Bild von StockSnap auf Pixabay